DER KAMPF DES LÖWEN - Apokalypse

Dieses ist eine andere Zeit.
Er hatte das Gefühl für Stunden, Tage oder Jahre schon lange verloren, schon bevor er sich auf den Weg machte. Er hatte das Licht am Horizont gesehen, und dachte, endlich wieder zurück zum Weg gefunden zu haben, den Weg, der sein Schicksal war, und an den so viele weitere Schicksale geknüpft waren
Irgendwann wurde ihm dann bewußt, das der Lichtfleck gar nicht näher kam, weder Form noch Helligkeit veränderte sich. Er setzte sich, und zum ersten Mal seit langem fingen seine Gedanken wieder an, zu arbeiten, bis dahin war sein ganzes Bestreben auf die Vorwärtsbewegung ausgerichtet gewesen. Sie bewegten sich nun, da der Körper endlich ruhte, kramten Schatten hervor, die Substanz annahmen und zu Erinnerungen wurden. Licht. Entfernung. Licht und Entfernung, beides in superlativer Größe. Diese Kombination... Sterne.
Was, wenn er einem ewigen Stern folgte, was, wenn er längst verloren hatte, und nur der Stern übriggeblieben war, von dem, was er zu verteidigen hatte? Was, wenn dies hier gar keine Falle, kein Gefängnis war, sondern lediglich das, was aus dem wurde, wonach er sich sehnte, weil er sich nicht ausreichend auf seine Aufgabe konzentriert hatte, und somit versagt hatte? Was, wenn dieser Maulwurf das war, was übrigblieb von der farbenfrohen Schöpfung. Maulwürfe, blind und hilflos, zu ewiger Dunkelheit verdammt?
Der Maulwurf war gar nicht darauf aus, ihm zu helfen, wie er angenommen hatte, er hatte lediglich einen Ort gesucht, an dem er gutgeschützt ausruhen konnte, bis er sich wieder seinen eigenen Interessen zuwenden konnte.
DracheneiAber er existierte noch, das war das Wesentliche, was ihn irritierte. Wenn also die Apokalypse wirklich schon stattgefunden hatte, wenn die finale Schlacht geschlagen war, und die Dunkelheit wie erwartet den Sieg davongetragen hatte, warum war er dann noch präsent? Ebenso wie das Maulwurfwesen, dem er begegnet war. Und das Licht... natürlich, er konnte es nicht erreichen, aber es war zweifelsohne zu sehen. Dies konnte noch nicht das Ende sein. Dies war ganz und gar nicht das Ende, es war... der Anfang. Der Beginn der Schöpfung, der Beginn des Seins. Hier nahm alles seinen Ursprung. Und nun erkannte er den Maulwurf. Natürlich, er lebte seit Anbeginn der Zeit, und wird unter Umständen sogar diese überleben. Der Maulwurf war Konstrukteur von Imperien und gleichzeitig ihr Zerstörer, um auf den Trümmern neu aufzubauen. Der mächtigste Lichtkrieger, und damit das begehrteste Objekt für die andere Seite.
Hier endeten seine Gedankenabschweifungen, er spürte, daß er nicht mehr allein war. Es war nichts körperlich anwesend, aber dennoch war irgend etwas omnipräsent. Und er wußte, um wen es sich handelte.
"Noch lebe ich!", zischte er in die Finsternis.
Nun nahm etwas Konsistenz an, es war, als würde sich die Finsternis verdichten, er konnte es nicht sehen, doch das Gefühl, seine Instinkte ersetzen hier sein Augenlicht.
"Komm!"
Nur dies eine Wort, geflüstert, und wie er es gewohnt war, schien es direkt in seinem Geist zu entstehen, ohne einen Umweg über Gehörgänge. Und doch... war es anders dieses mal. Es lag keine Aggression in dem Wort, kein Zynismus. Er ging.
Es war nur ein Schritt, aber alles veränderte sich. Er erkannte die Umgebung wieder, er hatte sie einst geträumt. Er konnte sich an jeden einzelnen Stein erinnern, und an jedes übriggebliebene Gebäudefragment. Dies war das Ruinenfeld, Ort des ewigen Kampfes. In einem Steinkreis brannte ein Feuer, dort starrte der schwarze Drache in die Flammen, ohne ihn zu beachten. Es war nicht der Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung, so setzte er sich ihm gegenüber.
Die Stimme meldete sich wieder, nach langer Zeit der Stille.
"Hast Du endlich verstanden?"
"Ich vermute, richtig zu liegen."
"Du vermutest?"
"Ich vermute, ja."
Es folgte wiederum langes Schweigen, und daß das Feuer dabei weiterloderte, ohne niederzubrennen, verwunderte ihn hier nicht.
"Warum ich?"
"Es hätte jeder sein können. Sie wollten einen Ausweg finden, wollten dem Buch des Schicksals entweichen, weil sie merkten, dies würde leichter sein, als es umzuschreiben. Wärst Du konvertiert, wären die Dinge zu einem Abschluß gekommen. So versuchten wir es zunächst zu Deinem Besten, boten Dir Imperien zu Deinen Füßen, doch Du widerstandst. Dann gingen wir Dich direkt an, nahmen Dir nach und nach alles, was Dich am Leben hielt, denn wir waren sicher, nur diese Dinge nähren Deine Treue. Wie kann man etwas die Treue halten, was einem nichts, aber gar nichts gibt? Doch Du gingst weiter, stecktest Schlag um Schlag einfach ein. Nun hast Du nichts mehr, nur noch Deine Treue zu einem Ideal, das zur Niederlage verdammt ist. Sieh Dich um: Schwärze. Dies ist Dein Lohn."
"Ich habe also gewonnen. Diese Dunkelheit ist nur der Schatten, den das Licht wirft, mit einer Kraft wie lange nicht mehr."
"Aye. Du hast verstanden. Du hast alles gewonnen, in dem Du alles von Dir ließt. Und Du kannst Dich daran nicht erfreuen, bleibst hier in den Schatten des Seins, bis zum letzten Tag, an dem Du sterben wirst. Denn nur die Dunkelheit ist immerwährend."
Er blickte ins Feuer, mit starrem, ausdruckslosen Gesicht. Der schwarze Drache gab ihm den Respektsgruß eines Kriegers, als er verschwand, er jedoch blieb sitzen. Das Feuer brannte langsam nieder. Es ward dunkel. Etwas näherte sich von hinten. Er reagierte nicht mehr. Eine Klinge wurde ihm an den Hals gesetzt. Er reagierte nicht mehr. Er fühlte sein Blut herablaufen, fühlte, wie seine Lebenskraft ihn verließ. Etwas entfernte sich, mit langsamen und traurigem Gang, weinend.
Er flüsterte seine letzten Worte...
"Ich verzeihe Dir, geh Deinen Weg und werde glücklich, wir werden uns wiedersehen... in einer anderen Wirklichkeit, denn das Sein ist nur ein Traum in einem Traum..."
Er sank zusammen.
"Ich... verzeihe... Euch."
Er stirbt...

Bild: "Der Anfang"; Tempera, BA'2002