Hauptbahnhof... Zentraler Verkehrsknotenpunkt, werktags, 9:30 Uhr. Wie
Wasserwellen strömen nicht enden wollende Menschenschlangen durch die
versteinerten Adern des Kolosses Großstadt. Obwohl jeder von ihnen
vorgibt, ein Ziel zu haben, wabern sie um mich herum wie Nebelschwaden,
allgegenwärtig und doch nicht greifbar. Uniformierung der Massen, ich
kann sie nicht auseinanderhalten, nur sehr selten sticht einmal ein
Individuum in meine Aufmerksamkeit. Meistens sind das sehr alte
Menschen, denn sie scheinen die Einzigen hier zu sein, die ihre Umwelt
wahrnehmen, anstatt sie einfach nur zu sehen.
Auf dem Bahnhofsplatz: Tauben. Gefiederte Ratten der Großstadt, wertlos,
wenn man die Menschen fragen würde. Die Vögel laufen herum, weichen
ignoranten Passanten widerspruchslos aus, treffen sich von Zeit zu Zeit,
schnäbelnd und gurrend. Nur eine Einzelne bleibt allein, die anderen
scheinen sie zu meiden, weichen ihr aus, zurückschreckend. Ihr Gefieder
ist schwarz.
Eine Krähe ruft zweimal, der Taubenschwarm schreckt auf, stobt davon.
Die erste Taube, die vorsichtig beobachtend wieder erscheint, trägt
schwarze Federn. Erst einige Zeit später folgen die anderen. Irgendwie
wirkt die schwarze Taube einsam, aber... es ist ja nur eine Taube.
Wieder ruft die Krähe zweimal, wieder fliegt der Schwarm davon, und mir
wird kalt. Das ist ja auch nicht ungewöhnlich, es ist Ende Oktober...
direkt neben mir landet eine schwarze Taube und schaut mich an...
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